viernes, 25 de octubre de 2013

Neue Dimension

Ökonomie. Das bedeutendste Vorhaben im Zuge der kubanischen »Aktualisierung des ­sozialistischen Modells«: In Mariel entsteht für 950 Millionen US-Dollar ein leistungsstarker Handelshafen

Von Volker Hermsdorf
Junge Welt


Am 24. Juli steuerte der chinesische Schwergutfrachter »Zhen Hua 10« mit Ziel Havanna die rund 45 Kilometer westlich gelegene Bucht von Mariel an. An Bord des 244 Meter langen und 39 Meter breiten Schiffes der Postpanamax-Generation, das wegen seines Tiefgangs nicht in den Hafen im Zentrum der kubanischen Hauptstadt hätte einlaufen können, befanden sich vier 83 Meter hohe Containerbrücken für die Terminals eines neuen Tiefseeports. In der Bucht von Mariel sollen im kommenden Jahr der größte Containerhafen der Karibik und Kubas erste Sonderwirtschaftszone den Betrieb aufnehmen. Die Rahmenbedingungen dafür hat der Staatsrat am 20. September in einem Gesetz beschrieben, das am 1. November 2013 in Kraft tritt. Bei dessen Unterzeichnung charakterisierte Präsident Raúl Castro die Projekte als »derzeit wichtigste wirtschaftliche Maßnahmen für die Gegenwart und Zukunft« des Landes.

Der einstige Fischerort Mariel liegt in der Provinz Artemisa an der nordwestlichen Küste der größten Antilleninsel in einer geschützten Bucht, deren Einfahrt 700 Meter breit ist. Die rund 42000 Einwohner zählende Stadt hat außer der größten Zementfabrik des Landes einige Kraftwerke, einen Industriehafen und kleinere Schiffswerften vor allem für die Reparatur zu bieten. Für die inländische Wirtschaft und ausländische Investoren hatte die Region bis vor kurzem kaum Bedeutung.

Das soll sich demnächst ändern. Langfristig sehen die Planer in Havanna den Ort als wichtigsten Im- und Exporthafen und attraktiven Umschlagplatz für den zunehmenden Containerverkehr zwischen Asien und dem amerikanischen Kontinent. Die Wirtschafts- und Technologieentwicklungszone ist bereits heute für Unternehmen vor allem aus China und Vietnam interessant. Auf dem insgesamt rund 465 Quadratkilometer großen Gebiet sollen in den nächsten Jahren Tausende neue Arbeitsplätze entstehen.

Für die Auswahl des Areals waren neben der Bucht mit ausreichend tiefem Wasser auch die bereits vorhandene Anbindung durch Straßen, Autobahn- und Eisenbahnverbindungen sowie die Nähe zu den wichtigsten wissenschaftlichen Forschungszentren und dem Internationalen Flughafen José Martí in der Hauptstadt Havanna ausschlaggebend. Neben dem Ausbau der bestehenden Infrastruktur sind umfangreiche neue Installationen zur Wasser- und Stromversorgung sowie Kläranlagen nötig. Auf dem Gelände sind außerdem Messehallen, Einkaufszentren, Kliniken, Erholungsgebiete und eine große Zahl von Neubauwohnungen geplant.

Das Projekt ist das derzeit bedeutendste Vorhaben im Zuge des wirtschaftlichen Umgestaltungsprozesses, der in Kuba als »Aktualisierung des sozialistischen Modells« bezeichnet wird. Grundlage der Planungen sind die Beschlüsse des 6. Parteitags der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) vom April 2011. Dort forderten die Delegierten unter anderem in der Leitlinie 103 die »Schaffung von Sonderentwicklungszonen, die die Steigerung des Exports, den effektiven Einsatz von Importen, Hightech-Projekte und solche der lokalen Entwicklung erlauben sowie zur Entstehung neuer Arbeitsplätze beitragen«.

Größter Hafen der Karibik

Kuba liegt inmitten der Hauptseefahrtswege zwischen Asien, dem Panamakanal, Amerika und Europa. Von den insgesamt 13 Häfen des Landes ist Havanna seit jeher der wichtigste für Importe und Exporte. Schon die spanischen Kolonialherren hatten die ideale Lage erkannt und in der geschützten Bucht den noch heute genutzten Naturhafen angelegt, den sie zum Hauptstützpunkt ihrer Flotte in der Karibik und zum Brückenkopf Amerikas nach Europa machten. Ihrer einzigartigen Position am Golf von Mexiko und ihrem Hafen verdankte die Stadt Havanna ihren Aufstieg zur bedeutendsten und reichsten Metropole Mittelamerikas.

Für die heutigen und zukünftigen Anforderungen ist der bisherige Frachthafen jedoch nicht mehr ausreichend. Der Autotunnel unter der Fahrrinne, der das Zentrum mit den Wohnvierteln und Stränden im Osten der Stadt verbindet, erlaubt nur Schiffen mit einem Tiefgang von höchstens elf Metern die Einfahrt. Durch die Lage mitten in der Stadt ist der weitere Ausbau zudem nicht möglich und auch nicht erwünscht. Die ökologischen Belastungen durch ein derartig ausgedehntes Industrieareal für Luft, Wasser und die Menschen in der urbanen Umgebung sind nach Ansicht von Fachleuten und Behörden nicht akzeptabel.

Mit dem neuen Hafen in Mariel wollen die kubanischen Planer diese Einschränkungen aufheben und Kubas Anschluß an den internationalen Handel intensivieren. Das Gesamtvolumen der größten Investition seit dem Sieg der Revolution wird mittlerweile auf bis zu 950 Millionen US-Dollar geschätzt, von denen 640 Millionen mit Krediten brasilianischer Banken finanziert werden. Die Bauarbeiten werden von einem Joint Venture zwischen dem kubanischen Unternehmen Almacenes Universales S.A. und der Compañía de Obras en Infraestructura (COI) ausgeführt. COI ist eine Tochter der brasilianischen Odebrecht-Gruppe, des auf Großprojekte spezialisierten zweitgrößten Baukonzerns der Welt. Mit der Verwaltung von Hafenanlagen und Containerterminals wurde nach einer Ausschreibung im vergangenen Jahr die Firma »PSA International« mit Sitz in Singapur beauftragt, die weltweit zwölf der größten Ports managt und sich in der Region mit der erfolgreichen Leitung der Hafenanlagen von Panama und Buenos Aires einen Namen gemacht hat.

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