lunes, 26 de noviembre de 2012

Kuba: Nachtmusik für die Revolution

Mozart als Sozialarbeiter in Havanna: Beim Projekt der Stiftung Mozarteum führt jeder Ton in eine neue Welt.
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Vieles ist in Bewegung auf Kuba: Ein Straßenbild aus der Hauptstadt Havanna. Bild: SN

Maler hängen an Seilen über dem Gewusel in der engen Gasse. Sie streichen die Fassade der ehemaligen Kirche San Felipe Neri. Zwischen Ruinen und Bruchbuden wird hier der Charme des Verfalls von Alt-Havanna weggestrichen.

Vieles strahlt und klingt neu in der kubanischen Hauptstadt. Vertrautes aber klingt aus dem Inneren des Kirchenbaus, der auch einmal Bank war. Mozart wird geprobt. Und doch ist es ein frischer Klang, ein neuer Treibstoff für Aufbruch, den Dirigent José Antonio Méndez Padron üben lässt. Vor ihm sitzt ein neues Jugendorchester in seinem neuen Proben- und Konzertraum.
Matthias Schulz hört zu. Und der Künstlerische Leiter und Geschäftsführer der Salzburger Stiftung Mozarteum macht sich Sorgen. Der Nachhall im Kirchenschiff ist stark. Er wird mit Ulises Hernández reden müssen. Hernández ist 57 Jahre alt, studierte Klavier, unterrichtet an der Kunstuni in Havanna. Er leitet das Lyceum Mozartiano de la Habana. Es gibt viel zu tun - erst recht, weil mit Anfang November diese Initiative der Stiftung Mozarteum mit Geld von der EU operiert.
Rund 70 Studenten bilden den Pool des Orchesters. Daneben soll eine Mediathek aufgebaut werden, und es wird der Austausch von Studenten und Lehrern zwischen Havanna und Salzburg forciert. In den nächsten drei Jahren soll das passieren. Jetzt aber ist der Nachhall dran. Stoffbahnen könnten helfen. "Es wird eine Lösung geben", sagt Ulises Hernández. "Es braucht alles seine Zeit - erst recht, wenn sich viel Neues bewegt." Und es braucht dazu auch eine Tugend, die in der kubanischen Mangelwelt lebensnotwendig ist: Improvisation.

Mozartbüste in Havanna

Der gute Wille strandet im Socialismo Cubano an den Ufern der Realität. Eine Realität ist etwa die gegenseitige Demütigungspolitik zwischen Kuba und den USA. In diese Mühle der Weltanschauung geriet auch die Stiftung Mozarteum. Container mit Instrumenten konnten zunächst nicht verschifft werden, weil sie einer Firma aus den USA gehören. Was von dort kommt, darf - jedenfalls offiziell - nicht nach Kuba. Die im Mozarteum verwendeten Computer sind auch US-Produkte. "Wir mussten andere Computer in China bestellen", sagt Ulrike Wegenkittl-Neumayer. Sie betreut das Projekt. "Beharrlichkeit und wundersame Zufälle" begleiteten diese Arbeit, sagt Stiftungspräsident Johannes Honsig-Erlenburg.Ein Zufall war auch der Beginn. 2007 war in Havanna eine Mozartbüste enthüllt worden. Es war der Tag, an dem sich Hernández und Honsig-Erlenburg kennenlernten. "Wir wussten, dass jemand von der Stiftung Mozarteum nach Havanna kommt - und wir wollten zeigen, was wir hier mit Mozarts Musik gemacht haben", sagt Hernández. Er hatte 2006 einen Mozart-Schwerpunkt organisiert. Die Mitschnitte der Konzerte übergab er Honsig-Erlenburg mit der Hoffnung, "daraus könnte sich irgendetwas entwickeln".
Dieses "Irgendetwas" entwickelte sich zu einem "vorbildhaften Projekt", sagt Marie Augouy. Sie ist als Kulturbeauftragte der EU in Havanna. Mit rund 400.000 Euro aus einem EU-Fonds wird das Lyceum gefördert. Den Rest des Budgets von 530.000 Euro besorgt die Stiftung, die sich um die Pflege Mozarts künftig auch in Kuba kümmert.
Nun ist Kuba aber ohnehin voller Musik. Was soll da eigentlich ein europäischer Kulturexport? Wie überall spielen Mozart und die europäische Klassik auch in Kuba eine große Rolle in der Musikausbildung. "Mozart hat doch längst aufgehört, Österreicher zu sein", sagt Ulises Hernández.
"Die Verankerung klassischer europäischer Musik in diesem Umfeld ist ja kein Neuanfang", sagt Matthias Schulz. Eher sei es eine Hilfe beim Schließen einer Lücke, die das Wirtschaftsdesaster der vergangenen 20 Jahre in die Musikausbildung auf Kuba gerissen habe. Wer für Touristen das Flair des Buena Vista Social Club imitierte, kam durch. Wo aber Glühbirnen und Toilettenpapier fehlten, hat die Ausstattung eines Orchesters oder einer Universität trotz aller Revolutionsrhetorik, die eine Bildung für alle beschwört, wenig Chancen.
Instrumente fehlten. Probenräume verfielen. Da reicht es nicht, ein paar Partituren und Notenständer zu schicken. Musik und Mozart sollen nicht nur künstlerischer Treibstoff sein. Treibstoff ist wörtlich zu nehmen: Bald soll ein Bus gekauft werden. Eine der Hauptsorgen gilt nämlich dem "Pendlerproblem" der Orchestermusiker wegen des desolaten öffentlichen Verkehrs.
"Nur ein Musikprojekt" hätte man ohnehin nicht gefördert, sagt die EU-Beauftragte. Es gehe "nicht um eine Liste von Einkäufen". Es geht um die Schaffung eines sozialen Gefüges und auch von Infrastruktur.

Behutsame Öffnung

Der Zeitpunkt für die Initiative ist günstig. Der Tourismus boomt. Behutsam öffnet sich die Insel. Kleine private Geschäfte werden erlaubt. Ein Sound in dieser Veränderung ist die Musik des Lyceum-Orchesters. "Wir haben nun Möglichkeiten, von denen wir lang nicht einmal träumten", sagt Klarinettist Aristides Borto. Vor ein paar Monaten war er in Salzburg bei der Internationalen Sommerakademie. "Das Projekt erleichtert die Chancen auf Austausch", sagt er in der Probenpause vor der einstigen Kirche. Für das Orchester wurde die Kirche geräumt. Bis dahin war eine Schule hier einquartiert, für die Eusebio Leal eine neue Bleibe fand. Eusebio Leal, offiziell Stadthistoriker und im engen Zirkel der politischen Führung, lässt mit einem Geflecht aus Firmen und NGOs die durch Misswirtschaft und salzige Meeresluft heruntergekommene Altstadt renovieren.
Das Lyceum-Projekt erfüllt alle Kriterien, wie er sich ein ideales Alt-Havanna vorstellt: Ein Mix aus Wohnen, Handwerk, Gastronomie, Einzelhandel und Kultur entsteht. Und sein Einfluss reicht, um kurzfristig das staatliche Radioprogramm zu ändern, damit das Konzert des Lyceum-Orchester übertragen werden kann.

(von Salzburger Nachrichten)

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