jueves, 27 de febrero de 2014

STUDIERENDENPROTESTE - DAS SYMPATHISCHE GESICHT DER OPPOSITION IN VENEZUELA?


Foto: ervega/flickr










Wird in Venezuela gerade ein Putsch vorbereitet oder wird eine Freiheitsbewegung unterdrückt? Um ein wenig Orientierung in die unübersichtliche Lage zu bringen, berichten wir direkt aus Caracas.
JAKOB GRAF UND JONAS HOLLDACK
Fliegende Steine, brennende Barrikaden, Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und der Polizei – Bilder, die häufig politische Umbrüche anzeigen, tauchen jetzt auch aus Venezuela auf. Dort kommt es immer wieder auch zu Toten. Doch ist die Situation kaum mit Tunesien, dem Tahrir-Platz, dem Widerstand gegen die Austeritätspolitik in Europa und auch nicht mit der Ukraine oder Libyen vergleichbar. Höchstens in einer Hinsicht: der Konflikt in Venezuela ist tief durchdrungen von globalen Interessen, vor allem von denen der Vereinigten Staaten.
Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts bringt große Veränderungen mit sich
Das ölreiche Venezuela befindet sich seit dem Wahlsieg von Hugo Chávez im Jahr 1998 auf einem Weg tiefgreifender sozialer Veränderung. Dafür sind nicht nur neue partizipative politische Formen lokaler und regionaler Räte kennzeichnend, die darauf abzielen, den alten Staat durch einen kommunalen zu ersetzen. Durch die staatliche Kontrolle des Ölreichtums des Landes ist zudem eine Reihe von Sozialprogrammen möglich geworden. Seit einigen Jahren wird vom Sozialismus des 21. Jahrhunderts gesprochen. Dieser wird vom pueblo, das heißt wesentlich von den organisierten ärmeren Bevölkerungsschichten getragen. Diesen Prozess kennzeichnen starke ökonomische Veränderungen. Es werden Großgrundbesitze und private Unternehmen enteignet. Mit subventionierten Lebensmitteln oder Haushaltsgeräten und Nutzfahrzeugen werden Produktionsketten jenseits des privatwirtschaftlichen Marktes aufgebaut. Nach offizieller Zielsetzung sollen die Betriebe in ArbeiterInnenkontrolle überführt werden. Diese tiefgreifenden ökonomischen Veränderungen gehen mit starken Interessenkonflikten auf nationaler und auch internationaler Ebene einher und verlaufen deshalb nicht geradlinig.
Nicht allen kommt dieser Prozess gelegen. Auch wenn die Mittelschicht in vielerlei Hinsicht von der Entwicklung materiell profitiert hat, bildet vor allem sie die Basis der Opposition. Obwohl in der Mittelschicht die Angst umgeht, Venezuela würde bald ein zweites Kuba, funktioniert die venezolanische Wirtschaft nach wie vor zu weiten Teilen privatwirtschaftlich. Zusätzlich ist Venezuela durchdrungen von (vor allem kolumbianischen) Drogenkartellen, Paramilitärs, Mafias und einer jahrzehntelangen Tradition der Korruption. Insgesamt entsteht dadurch ein Mix, der ein staatliches Top-Down-Regieren anhand von Gesetzen und Polizei unmöglich macht. Nicht nur deshalb ist das A und O des Prozesses das organisierte pueblo.

Die Probleme haben zugenommen
Spätestens seit dem Tod von Hugo Chávez am 5. März 2013 haben sich die Probleme in Venezuela zunehmend verschärft. Das betrifft sowohl die sicherheitspolitische als auch die wirtschaftliche Lage. Die Inflation wird für das Jahr 2013 teilweise auf über 50 Prozent geschätzt. Zwar wird der Mindestlohn kontinuierlich erhöht, doch haben gerade die ärmeren Schichten mit Versorgungsengpässen zu kämpfen. Die Regierung macht für diese Entwicklung  private mafiöse Strukturen verantwortlich, die durch Zurückhaltung und Lagerung von Produkten oder Schmuggel die Lage verschärfen. Hinzu kommt das grundsätzliche Problem, dass es seit 1998 nicht geschafft wurde, die Abhängigkeit des Landes von Lebensmittelimporten und Ölexporten abzubauen. Die wirtschaftlichen Probleme verstärken sich gegenseitig mit der allgemein angespannten Sicherheitslage. Vielen gilt Caracas heute als die gefährlichste Hauptstadt der Welt. Im Zuge dessen häufen sich politische Morde und Sabotageakte. Die Regierung spricht von einem Wirtschaftskrieg, den die Opposition gegen das Land führe, während die Opposition die Schuld auf die Unfähigkeit und Korruption der Regierung schiebt und der Oppositionsführer Leopoldo López zum Sturz der Regierung aufruft.
Seit 1998 hatte Chávez die Präsidentschaftswahlen stets gewonnen und auch gegen den aktuellen Präsidenten Nicolás Maduro konnte sich die Opposition im April 2013 nicht durchsetzen. Als sie dann auch bei den Kommunalwahlen im darauf folgenden Dezember einen Rückschlag erlitt, setzt die Opposition nun auf eine andere Taktik. Ende Januar rief Leopoldo López zusammen mit María Corina Machado mit der Kampagne „La Salida“ zum Sturz der Regierung auf. María Corina Machado ist Abgeordnete im Nationalparlament und hat ihren Erfolg ihrer US-finanzierten neoliberalen NGO Sumate zu verdanken. Leopoldo López ist derzeit populärster Oppositionsführer mit seiner neuen Partei Voluntad Popular und war schon 2002 in den Putsch gegen Chávez verwickelt. Die Regierung wirft ihnen angesichts ihrer Misserfolge bei Wahlen vor die allgemeine Verunsicherung zu nutzen, um einen Putsch vorzubereiten. Dabei wird anscheinend nicht nur die mittelständische und reiche oppositionelle Basis auf die Straße mobilisiert. Laut Regierungskreisen werden im Zusammenhang mit US-Geheimdiensten und kolumbianischen Kreisen gewaltbereite Jugendliche für Straßenschlachten bezahlt, sowie Sabotageakte und politische Morde durchgeführt.
Von der Studi-Demo zum Putsch?
Die neueren Auseinandersetzungen gehen im Wesentlichen auf die Geschehnisse nach der großen Studierendendemonstration am 12. Februar zurück. Zunächst hatten Vereinigungen aus der wichtigsten staatlichen Universität UCV mit oppositionellen Parteien zur Demonstration aufgerufen. Sie demonstrierten zunächst friedlich gegen die mangelhafte Sicherheitslage, endeten dann jedoch in Ausschreitungen. Dabei lieferten sich gut vorbereitete Jugendliche mit Gasmasken und Molotowcocktails Auseinandersetzungen mit der Polizei. Unter anderem wurde dabei der Sitz der Staatsanwaltsschaft zerstört. An diesem Tag starben drei Menschen, darunter ein Chavista und ein Oppositioneller. Wie es dazu kam, ist unklar. Dabei nahm die Polizei dutzende Menschen fest, unter anderem einen venezolanischen Geheimdienstmitarbeiter, der wohl in die Morde verwickelt war. Dieser Vorfall nutzte den Kräften, die auf eine weitere Destabilisierung des Landes hoffen. Am Abend zuvor wurde in staatlichen Medien ein Telefonat zwischen einem Offizier und einem hochrangigen Oppositionellen veröffentlicht. In dem Telefonat sprachen sie davon, dass der 12. Februar wie der 11. April 2002 werden würde – als es bei einer Demo kurz vorm Putsch mehrere Tote gab – und man sich doch besser nicht in den ersten Reihen der Demo befinden solle, da es Tote geben würde. Seitdem ist das Land nicht mehr zur Ruhe gekommen. Im Internet kursieren eine Vielzahl an Bildern, von denen viele schlicht gefälscht oder aus anderen Ländern und Zeiten sind. Nicht nur deshalb ist die Lage unübersichtlich.
Nicolás Maduro warnte in den Folgetagen immer wieder vor einem Putsch. Zu sehr ähneln sich die Vorkommnisse mit denen des Staatsstreichs von 2002, als die Opposition mit Hilfe ausländischer Kräfte und dem Militär gegen Chávez putschte. Damals hatte die Opposition zu einem Marsch zum Präsidentenpalast Miraflores aufgerufen. Die Chavistas versammelten sich gleichzeitig um Miraflores, um die Regierung zu verteidigen. An diesem Tag kam es zu Toten auf beiden Seiten durch bezahlte Scharfschützen. All dies wurde ausgenutzt, um den nachfolgenden Putsch zu rechtfertigen. Dieser ist bekanntlich an den Menschenmassen gescheitert, die Chávez keine 48 Stunden später zurück ins Amt hoben.
Tote und Gewalt sind an der Tagesordnung
Seit dem 12. Februar kommt es fast täglich irgendwo im Land zu Toten. Entweder durch einfache politische Morde, undurchsichtige Auseinandersetzungen am Rande von Demonstrationen oder wie kürzlich durch Sabotageaktionen am öffentlichen Stromversorgungsnetz. Dabei nahmen bewaffnete Gruppen diejenigen unter Beschuss, die zur Reparatur der Anlagen einbestellt wurden. Mehrere öffentliche Verkehrsbetriebe mussten ihren Betrieb einstellen, nachdem die Gebäude oder die Transporteinheiten zerstört wurden. Im wohlhabenderen Stadtteil von Caracas Chacaito und anderen Teilen des Landes, wurden öffentliche Gebäude stark beschädigt. 
All dies geht nicht – wie oft suggeriert – von Studierenden aus. Die Regierung spricht von faschistischen Gruppen, die von den gewöhnlichen Demonstrierenden unterschieden werden. Die Oppositionsführer sehen sich von einer Unterwanderung durch Gewalt schürende Gruppen betroffen oder schieben die Schuld auf bewaffnete RegierungsanhängerInnen. Gleichzeitig verkünden derzeit kleinere oppositionelle Gruppen ihren Widerstand bewaffnet fortzuführen. Die Verbindungen der Opposition zu insbesondere kolumbianischen paramilitärischen Gruppen hat Tradition. Die Proteste der Studierenden nützen gleichzeitig diesen vielschichtigen Akteuren in der Opposition als Ausgangspunkt für ihre Gewalt und die internationale mediale Delegitimation der Regierung als repressiver Staat, dessen Unterstützer Jagd auf Oppositionelle machen würden.
Die Opposition hält sich alle Wege offen
Wegen seiner Verstrickungen in die Vorkommnisse und seiner Aufrufe zum Sturz der Regierung, wurde gegen Leopoldo López vergangene Woche Haftbefehl erlassen. Nachdem er mehrere Tage untergetaucht war, stellte er sich am Dienstag der Justiz. Wie seine Frau in CNN erklärte, wurde dies notwendig, da López Morddrohungen aus seinen eigenen Kreisen der extremen Rechten erhielt, die mit seiner Ermordung die Bedingungen für einen Putsch vorantreiben wollten. Es ist dabei offensichtlich, dass die Opposition keineswegs vereint agiert, sondern von Studierenden des Mittelstands über die etablierten Parteien und oppositionellen Zeitungen bis zu bezahlten Paramilitärs reicht. Die ehemals führende oppositionelle Persönlichkeit Henrique Capriles spielt momentan eine weniger dominante Rolle.
Die verschiedenen Kräfte der Opposition sind sich jedoch ihrem historischen Moment bewusst, dass sie jetzt den Chavismus schlagen müssen, damit sich dieser nicht auch ohne seinen Namensgeber an der Macht halten kann. Ihre Angst ist, dass sie, wie die letzten 15 Jahre, kaum eine politische Rolle spielen und der Chavismus zu einer politischen Bewegung jenseits der Person Chavez wird, die das Land und den Kontinent weiter nach links lenkt. Dies kann sie durch demokratische Mittel wie z.B. ein Abwahlreferendum gegen Maduro 2016 erreichen, dadurch das sie die Regierung auf Grund der Gewalt zum Rücktritt zwingt, durch einen Putsch oder – auch darüber wird in Venezuela viel spekuliert – durch eine Militärintervention der USA oder NATO. Alle Szenarien werden durch die jetzigen Unruhen und Proteste gefördert. Die Regierung organisiert unterdessen eine Kampagne für den Frieden, die die Menschen dazu aufruft, die Straßen friedlich einzunehmen. Dabei geht es unter anderem darum, dass nach Möglichkeit auf allen wichtigen öffentlichen Plätzen kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Bei Demonstrationen, zu denen die Regierung aufrief, füllten sich die Straßen mit teilweise mehr als 100.000 Menschen. Außerdem geht die Regierung auch ihrem Alltagsgeschäft nach und versucht so Normalität auszustrahlen und den Unruhen konkrete Arbeit entgegenzusetzen.
Als der wichtigste Öllieferant der USA und als wichtige gegenhegemoniale Kraft auf internationaler Ebene, sind Szenarien wie der Putsch in Chile 1973 sicher nicht ausgeschlossen. Die häufigen Vergleiche der Situation Venezuelas mit denjenigen anderer Länder weisen jedoch auch Mängel auf. Im Unterschied zur Ukraine, Ägypten oder Syrien wird der politische Prozess der bolivarischen Revolution wesentlich von den breiten ärmeren Schichten des Landes getragen. Solange diese hinter Maduro stehen, bildet der direktdemokratische, partizipative Charakter des sozialistischen Projekts in Venezuela das starke Standbein der Regierung, das schon den Putsch 2002 und den darauf folgenden Unternehmerstreik zu ihren Gunsten wendete.

(Tomado del Magazín online Crítica)

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